Vier Figuren
So sperrig und insistierend Giacomettis Figuren sich im dreidimensionalen Raum ihren Platz nehmen, so bohrend schafft sich Bettina Skrzypczak neue Durchbruchstellen im Klangraum. Teilweise mit dem feinen Schlüssel aufgeschlossen, andernorts geradezu aufgewuchtet bilden sie die Schnittstellen im Ablauf des Stückes.
Nach einem kantig-trockenen Anfang wechseln sich um Vorrang ringende Streicherstimmen, tragende Beckenklänge, sich absetzende virtuose Soloinstrumente, die bald vom Ensemble wieder eingeholt werden, mit diesen Knalleffekten immer wieder ab. Das setzt hieb- und stichfeste Instrumentalisten ebenso voraus wie eingestimmte Zuhörer. Beides schien in der Fondation gegeben, und man wünscht sich, das in seiner unerbittlichen rhythmischen Präzision und wuchtigen Präsenz sehr schöne Stück bald in öffentlicherem Rahmen nochmals zu hören.
Kritik zur Uraufführung am 19.11.2001 in der Fondation Beyeler in Riehen/Basel
Bettina Skrzypczaks Komposition „Vier Figuren“ ist inspiriert durch eine vierteilige Figurengruppe Alberto Giacomettis (…) Wer ein Pendant zu Giacomettis Skulpturen erwartete, wurde enttäuscht. Bei Skrzypczak entsteht Intensität nicht in asketischer Vereinzelung musikalischer Figuren, sondern in saftiger Interferenz dreier auf dem Podium des kleinen Tonhalle-Saals nah beieinander postierter Instrumentalgruppen. Die Texturen, die auf durchaus konzertante Weise in- und auseinander gehen, beruhen nicht auf Nachbildung, sondern auf kraftvoller Transformation des bildnerischen Vorwurfs, emphatisch realisiert durch das Collegium Novum unter Peter Hirschs Leitung.
Michael Kunkel, Tages-Anzeiger, 26.9.2005