Miroirs
für Mezzosopran und Ensemble
Im Zusammenhang mit ihrer im Jahr 2000 entstandenen Komposition "Miroirs" erzählt Bettina Skrzypczak eine alte chinesische Geschichte, die sie bei Jorge Luis Borges fand: Zhuang Zou träumte, er sei ein Schmetterling, und wusste beim Erwachen nicht: Bin ich ein Mensch, der geträumt hat, ein Schmetterling zu sein, oder ein Schmetterling, der jetzt träumt, ein Mensch zu sein? Ähnlich fließen auch in "Miroirs" Wirklichkeit und imaginäre Welt ineinander. In Klang und Sprache spiegelt sich eine verborgenen Realität, die in Ausnahmesituationen wie dem Traum - oder vielleicht beim aufmerksamen Hören? - flüchtig erfahren werden kann.
Die Texte beleuchten die Thematik aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. "El bacedor" (Borges) ist am Übergang von Historie in Mythos angesiedelt; die Fragmente von Li Taibo evozieren den ekstatischen Augenblick, der transzendiert; im lyrischen Vierzeiler von Ventadorn sind die Augen eines andern Menschen der Spiegel des Ichs; im Gedicht von Sarmast schließlich - interessanter Fall eines männlichen Autors mit weiblicher Erzählperspektive - führt die Selbstreflexion zur Frage nach dem Unendlichen.
Die musikalische Haltung reicht in diesem Vokalzyklus von der lyrischen Versenkung bis zum dramatisch gespannten Ton, die acht Instrumente entfalten ein reiches Spektrum an Farben und atmosphärischen Werten. Der expressive Gesangspart ist eng mit dem Instrumentalsatz verwoben, überlässt aber der Musik viel Raum, um das Ungesagte ausdrücken.
Max Nyffeler