Fantasie
für Oboe solo (1997)
Den Begriff der Fantasie möchte man beim erstmaligen Hören dieses Solostücks für Oboe aus dem Jahre 1997 im Wortsinn mit dem Reichtum der klanglichen Vorstellungen verbinden: Die Phantasie, mit der hier einzelne Töne zu schillernden Mehrklängen geformt und Mehrklänge mit verändertem Lippendruck und Glissando-Effekten ihrerseits farblich retouchiert werden, scheint grenzenlos. Das ohne Taktstriche notierte Stück steht aber vorab in der Tradition der freien Fantasie, wobei der Arbeitstitel der Komposition, "Fantasie über polnische Landschaften", darauf verweist, dass auch diese Musik ähnlich wie "Toccata sospesa" weit über eine zeitgemässe Umsetzung eines historischen Gattungsbegriffs hinausreicht. Bettina Skrzypczak hat sich dazu wie folgt geäussert:
"Weil die Identität des polnischen Volkes in der Geschichte immer wieder gefährdet war, hat sich in der verbalen und künstlerischen Sprache Polens eine spezifische Art der Metasprache entwickelt. Ich würde es als etwas Metaphysisches, ausserhalb der Realität Liegendes bezeichnen einen Raum, in den man fliehen kann, wo man sich geborgen fühlt und überleben kann, wo man anders kommunizieren kann. In diesem Kontext kann die Bedeutung der Landschaft als Ort des Überlebens und des Verwurzeltseins besser verstanden werden. Bis heute befassen sich die Künstler (letztlich besonders in der polnischen Literatur) mit diesem Thema. Auch für mich bedeutet Landschaft viel mehr als etwas Bildliches. Mich fasziniert das Verzauberte, was hinter ihr liegt."
© René Karlen
(Aus dem Text zum Booklet der Portrait-CD Bettina Skrzypczak, Musikszene Schweiz 2002)