aus Partitur 'Vier Figuren'

Canzona ad astra (2023)

für Bariton, Klarinette und Violoncello

Die Sterne faszinieren mich seit der Kindheit, und das Interesse am Sternenhimmel sowie die damit verbundene Erkenntnis hinterliessen ihre Spuren auch in meinem kompositorischen Schaffen. Zum Beispiel im Orchesterwerk «SN 1993 J» über eine Supernova (1995) oder in der dem Schweizer Universalgelehrten Leonhard Euler gewidmeten Ensemblekomposition «anomalia Lunae media» (2007).
In meiner neuen Komposition «Canzona ad astra» für Bariton, Klarinette und Violoncello setzte ich mich mit den Gedanken von Johannes Kepler (1571-1630) auseinander und vertonte in drei vokal-instrumentalen Stücken drei aus seiner Feder stammende Texte. In diesen Texten geht es um Aspekte wie Struktur der Schneekristalle, Erlebnisse des Wissenschaftlers bei der fiktiven Besteigung des Atlasgebirges und um die Anrede an den neuen Stern des Jahres 1604.
Die auf den ersten Blick verschiedenen Thematiken verbindet ein in der Verborgenheit existierender Gedanke über das Geheimnis der Schöpfung und der sich aus ihr ergebenden Schönheit. Es geht aber auch um die menschliche Unvollkommenheit und die beschränkten Möglichkeiten der Erkenntnis.
Dieser letzte Aspekt zeigt sich am stärksten in der Schrift «Strena seu De Nive Sexangula» (Neujahrsgeschenk, oder Vom sechseckigen Schnee), die Kepler seinem Freund und Gönner, dem Kaiserlichen Rat und Förderer der Wissenschaften und der Philosophie Johann Matthäus Wacker von Wackenfels gewidmet hat. In diesem Text taucht das «Nichts» (als das Unwissen) in verschiedenen symbolischen Facetten auf – schliesslich als schnell verschwindende, wunderschöne sechseckige Schneeflocke. Vertont habe ich die in Latein verfassten vier Verse der Widmung Keplers an seinen Freund.
In dem nach Keplers Werk betitelten Lied «De Nive Sexangula» gehe ich auch konkret kompositionstechnisch auf die Gedanken Keplers ein, indem ich durch bestimmte Zahlenkombinationen oder Strukturen seine Gedanken symbolisch zum Ausdruck bringe. In dieser Komposition ist die Baritonstimme sehr sparsam eingesetzt. Sie enthält nur die Kernbotschaften, deren Inhalte dann instrumental weiterverarbeitet werden.
Die Komposition entstand im Auftrag des Musikfestivals Bern für ein Konzert unter dem Titel «Himmelsmechanik», begleitet von einem Gespräch mit dem Astronomen Rudolf von Steiger.
Bettina Skrzypczak

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